Technik

Die ARA Gossau-Grüningen reinigt das Abwasser in vier Stufen.

Reinigungsstufen

Die sieben Reinigungsschritte der ARA Gossau-Grüningen können vier Verfahrensstufen zugeordnet werden. Zu Beginn kommt die mechanische Vorreinigung, in welcher Feststoffe und unerwünschte Fremdkörper entfernt werden. Anschließend folgt die biologische Reinigung. Hier wird das Abwasser durch kleine Organismen biologisch gereinigt. Diese siedeln sich in Schlammflocken an und nutzen organische Substanzen oder Ammonium als Nahrung. Damit diese Bakterien nicht im Abfluss der ARA landen werden die Schlammflocken in der Nachklärung zurückgehalten. Die letzte Verfahrensstufe ist die Filtration. Diese Stufe wird bis 2021 erweitert mit der Stufe zur Elimination von Mikroverunreinigungen. Zukünftig erfolgt hier durch die Zugabe von Aktivkohle die Entfernung von Mikroverunreinigungen. Da während des Reinigungsprozess auch wesentliche Mengen an Schlamm anfallen, wird auf der ARA eine Schlammbehandlung betrieben. Hierbei wird der Schlamm hygienisiert, das Volumen zum Abtransport verringert und sogar Biogas zur Energieerzeugung produziert.

Zulaufbauwerk und Regenbecken

Das Abwasser wird über den Zulaufkanal kontrolliert zur ARA geleitet. Hier wird die Abwassermenge, welche effektiv über die ARA fliessen soll mittels dem Zulaufschieber reguliert. Bei Regenwetter entlastet überschüssiges Abwasser durch einen Siebrechen mit 4 mm grossem Stababstand, in das Regenbecken (a) mit einem Volumen von 250 m3. Bei maximalem Regenwetterzufluss (810 l/s) kann im Regenbecken für lediglich fünf Minuten Wasser zurückgehalten werden. Ist die hydraulische Kapazität der ARA ausgeschöpft und das Regenbecken voll, wird das Abwasser direkt in den Gossauerbach geleitet. Für gewöhnlich wird nur im Regenwetterfall Abwasser ins Regenbecken geleitet, dann ist das Abwasser auch stark verdünnt und der Bach führt viel Wasser. Zusätzlich werden dank dem Siebrechen Feststoffe zurückgehalten und während dem Aufenthalt im Regenbecken können weitere Feststoffe abgesetzt werden. Das zurückgehaltene Abwasser wird bei Trockenwetter wieder auf die ARA gepumpt und vollständig gereinigt.

Mechanische Vorreinigung 1/2

Das Abwasser passiert als erstes die Rechenanlage (b). Grobe Abwasserinhaltsstoffe wie Hygieneartikel, Holz, Steine oder andere Fremdkörper grösser als 6 mm, welche die nachfolgenden Stufen beeinträchtigen könnten, werden zurückgehalten. Mit zunehmender Dauer belegt sich der Rechen, wodurch der Wasserspiegel im Zulauf ansteigt. Wird ein vorgegebener Wasserstand überschritten, reinigt sich der Rechen von selbst ab. Dazu bewegen sich Haken durch die Zwischenräume der Rechenstäbe von unten nach oben. Das Rechengut wird so aus dem Abwasser nach oben in die Rechengutwaschpresse gefördert. In der Presse findet eine Auswaschung des Materials mit anschliessender Auspressung statt. Das gereinigte Rechengut wird direkt in einen Abfallsack im Container abgeworfen. Der gefüllte Container wird mit dem häuslichen Abfall über die Kehrrichtverbrennungsanlage entsorgt.

Mechanische Vorreinigung 2/2

Als nächstes folgt der Sandfang (c). Hier werden schwere Feststoffe wie Sandkörner und Steinchen abgetrennt. Dabei fliesst das Abwasser durch den länglichen Sandfang in dem mit Luftzufuhr eine Walzenströmung erzeugt wird. Diese Walze sorgt dafür, dass leichtere organische Feststoffe nicht zusammen mit dem Sand abgesetzt werden. Die Reinigung des Sandes wird dadurch einfacher und die in Schwebe gehaltenen organischen Feststoffe können später in der Schlammbehandlung zur Klärgas-produktion verwendet werden. Der Sand wird in einem Sandwäscher gewaschen und kann dadurch anschliessend auf einer Inertstoffdeponie anstelle in einer Kehricht-verbrennungsanlage entsorgt werden.

Im letzten Schritt der mechanische Vorreinigung durchströmt das Abwasser die Vorklärung (d). Hier werden nochmals Feststoffe abgetrennt, diesmal hauptsächlich organische Substanzen. Dadurch wird die biologische Reinigung entlastet und der entstehende Schlamm kann zur Klärgasproduktion verwendet und energetisch verwertet werden. Die Feststoffe werden in der Vorklärung mittels Schwerkraft abgesetzt, was eine relativ lange Aufenthaltszeit von etwa einer Stunde oder mehr voraussetzt. In Gossau ist die ganze mechanische Vorreinigung inklusive Vorklärung einstrassig und ist somit nicht redundant.

Biologische und chemische Reinigung 1/3

Ziel der biologischen Reinigung ist die Elimination von organischen Stoffen und Ammonium. Mikroorganismen bauen organische Stoffe unter hohem Sauerstoffverbrauch ab. Würde dies nicht in der ARA sondern im Gewässer geschehen, können dadurch sauerstoffarme Zonen entstehen, in denen andere Lebewesen nicht mehr überleben können. Dasselbe gilt für Ammonium, welches zusätzlich auch als Dünger das Algenwachstum fördert. Zur biologischen Reinigung werden auf der ARA Gossau-Grüningen unbelüftete (e) und belüftete Becken (f) betrieben.

Der Abbau organischer Stoffe durch Mikroorganismen erfolgt unter Sauerstoffzufuhr. Leistungsstarke Gebläse ermöglichen eine genügend grosse Sauerstoffzufuhr und sind gleichzeitig auch die grössten Energieverbraucher auf der ARA von bis zu 60% des gesamten Bedarfs. Die Bakterien nutzen die organischen Stoffe einerseits zur Energieproduktion und andererseits für ihren Wachstum. Durch Wachstum und Vermehrung erhöht sich auch der Anteil an Biomasse in den Biologiebecken. Damit die Konzentration der Biomasse nicht zu stark ansteigt, wird eine bestimmte Menge Schlamm (Überschussschlamm) aus dem System entnommen und in der Schlammbehandlung weiter behandelt. 

Biologische und chemische Reinigung 2/3

Auch Ammonium wird unter Sauerstoffzufuhr abgebaut und in Nitrat umgewandelt. Dieser Prozess wird Nitrifikation genannt. Die Mikroorganismen die Ammonium abbauen produzieren weitaus weniger Biomasse und müssen daher länger im System gehalten werden. Würden die Bakterien lediglich einmal mit dem Abwasser durch die biologischen Becken strömen wäre die Aufenthaltszeit viel zu kurz. Daher wird ein Teil des Schlammes am Ende der Becken wieder an den Anfang rezirkuliert (Rücklaufschlamm). Auf der ARA Gossau-Grüningen beträgt die Aufenthaltszeit der Bakterien im mittel etwa 12.5 Tage.

Da mit Nitrat immer noch Stickstoff in die Gewässer gelangt, wird es teilweise in gasförmigen Stickstoff umgewandelt werden. Dazu werden Zonen oder ganze Becken ohne Sauerstoffzufuhr (e) benötigt. Die Umwandlung von Nitrat in gasförmigen Stickstoff wird als Denitrifikation bezeichnet. Auf der ARA Gossau-Grüningen befinden sich deshalb vor den belüfteten Becken (f) auch unbelüftete Becken. Dies mag auf den ersten Blick etwas seltsam erscheinen, ist aber durchaus sinnvoll. Nitrat das im belüfteten Teil der Biologie entsteht wird zusammen mit dem Rücklaufschlamm in die vorgeschalteten unbelüfteten Becken gefördert. Für die Denitrifikation werden auch organische Stoffe benötigt. Da diese organischen Stoffe in den belüfteten Zonen schnell abgebaut werden ist es effizienter, in einem Becken vor der belüfteten Zone zu denitrifizieren.

Biologische und chemische Reinigung 3/3

Weil in der biologischen Reinigung die Bakterien auf Schlammflocken sitzen und durch die Abbauprozesse zusätzliche Biomasse (Wachstum) produziert wird, ist das Abwasser wieder sehr reich an Feststoffen. Damit diese wertvollen Organismen nicht im Gewässer landen, durchläuft das gereinigte Abwasser erneut ein Absetzbecken in welchem analog zur Vorklärung Feststoffe abgeschieden werden. Diese Reinigungsstufe wird als Nachklärung (g) bezeichnet. Von hier wird die abgesetzte Biomasse entweder wieder in die biologische Reinigung zurück gepumpt (Rücklaufschlamm) oder der Überschussschlamm über die Vorklärung der Schlammbehandlung zugegeben.

Phosphor wird auf der ARA Gossau-Grüningen nicht biologisch entfernt, sondern chemisch unter Beigabe sogenannter Fällmittel ausgefällt. Die Fällung sorgt dafür, dass gelöster Phosphor zu festen etwas grösseren Flocken wächst. Diese Flocken setzen sich auch in der Nachklärung (g) nieder und können zusammen mit dem Überschussschlamm aus dem System entnommen werden.

Filtration und Elimination Mikroverunreinigungen 1/2

Damit der Anteil ungelöster Stoffe im Ablauf noch weiter reduziert wird und der Greifensee maximal gegen Verunreinigungen geschützt wird, ist am Ende der Verfahrenskette eine Filteranlage (i) nötig. Im Filter werden nicht nur mechanisch ungelöste Stoffe zurückgehalten sondern es wird auch nochmals biologisch gereinigt. Der Filter wird zur Reinigung regelmässig mit Luft und Wasser gespült. Das Reinigungswasser aus dem Spülvorgang wird zurück zum Zulauf der Kläranlage geführt. Seit 2016 fordert das Gewässerschutzgesetzt, dass kleinste Verunreinigungen, wie zum Beispiel Medikamentenrückständen, Hormone oder Pestizide aus dem Abwasser entfernt werden (Mikroverunreinigungen). Aus diesem Grund wurde in einem ersten Schritt der Einsatz von Ozon und Aktivkohle geprüft.

Filtration und Elimination Mikroverunreinigungen 2/2

Massgebenden Anteil für die Entscheidung gegen Ozon, hatte die hohe Konzentration an Bromid im Abwasser. Als Quelle dieser hohen Bromidkonzentrationen konnte das Abwasser der Deponie Wissenbüel eruiert werden. Das Problem an der Reaktion von Ozon und Bromid ist das entstehende Bromat, welches für den Menschen krebserregend sein kann und über das gereinigte Abwasser der ARA in die Trinkwasservorkommen infiltriert.  Deshalb wurde für die ARA Gossau-Grüningen eine Aktivkohledosierung vorgesehen. Die Aktivkohle wird als Pulver vor der Filteranlage dosiert. In einem Reaktionsbecken wird dafür gesorgt, dass genügend Zeit für die Bindung der Mikroverunreinigungen an die Aktivkohle besteht. In der Filteranlage wird die Aktivkohle zurückgehalten. Die Aktivkohle wird in einem Silo neben dem Filtrationsgebäude gelagert und in einer wässrigen Lösung in den Reaktor gepumpt.

Schlammbehandlung 1/2

Die in der Vor- und Nachklärung gesammelten Feststoffe werden in die Schlammbehandlung, bestehend aus einem Faulturm (j), einem Stapelbehälter (k) und einer Entwässerungsanlage (l), gegeben. Ziel ist die Reduktion des Volumens durch Entwässerung und die Hygienisierung des Schlammes durch Faulung bei Temperaturen um ca. 38° C. Im Falle der ARA Gossau-Grüningen werden die beiden Schlämme aus der Vorklärung und Biologie gemeinsam gesammelt und in die Schlammbehandlung geschickt. Zuerst wird der Schlamm gesiebt, um ihn von grösseren Feststoffen – vor allem Haare – zu trennen, die für die folgenden Verfahrensstufen problematisch sind. In der Faulung wird der Schlamm über eine Zeit von ca. 20 Tagen erwärmt und umgewälzt. Es werden nochmals organische Feststoffe abgebaut und dadurch Klärgas produziert. Klärgas ist eine Gasmischung die hauptsächlich aus Methan (ca. 60-65%) und Kohlenstoffdioxid (ca. 30 %) besteht. Das Klärgas wird in einem Gasspeicher (m)  gelagert und anschliessend zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt. 

Schlammbehandlung 2/2

Der Schlamm wird zum Schluss in der Schneckenpresse entwässert und in Mulden zum Werdhölzli in die Verbrennung gebracht. Nach der Monoverbrennung auf dem Werdhölzli wird die Schlammasche gelagert, um zukünftig Phosphor zurück zu gewinnen. Das Presswasser welches bei der Entwässerung entsteht hat in der Regel einen sehr hohen Anteil an Ammonium und muss deshalb wieder in die biologische Reinigung geschickt werden.

Die Schlammbehandlung besitzt auch einen kleinen Stapelbehälter und einen grossen Stapelbehälter (k) mit einem Volumen von 600 m3 der mit einem Rührwerk ausgerüstet ist. Solche Stapel werden zum einen zur Zwischenspeicherung und kontrollierten Dosierung des Schlammes in die Faulung oder in die Entwässerung verwendet. Zum anderen wird der Schlamm durch Schwerkraft bereits etwas voreingedickt, was zu einer Volumenreduktion und weniger Pumpenergie auf die Schlammentwässerung führt.

Gasbehandlung/Energie

Das in der Faulung enstehende Klärgas wird zuerst in einen Gasspeicher /m) geleitet. Von dort wird das Blockheizkraftwerk (BHKW), (n) mit Gas versorgt. Das BHKW produziert Strom, mit dem elektrische Anlagenteile betrieben werden und Wärme, mit der zum Beispiel die Faulung beheizt wird. Die ARA Gossau-Grüningen kann so ca. 45% ihres Stormbedarfs decken und sogar fast 100% des Wärmebedarfs.

Aus dem gereinigten Abwasser wird Wärme zurückgewonnen. Die technische Installation der Abwasserwärmenutzung hat der Bezüger die Leutenegger Insta AG selber finanziert. Die Leutenegger Insta AG betreibt die Abwasserwärmenutzung selbständig.

Notstromkonzept mit Batterie und Photovoltaik

Ein Notstromkonzept ist wichtig um mögliche Betriebsunterbrüche der ARA bei Stromausfall zu verhindern. Auf der ARA Gossau-Grüningen wird eine 400 kWh Batterie als Energiespeicher verwendet. Bei einem Stromausfall können somit ca. 400 kWh für den Betrieb der ARA genutzt werden, was den Notbetrieb von drei bis fünf Stunden ermöglicht. Weitere Notstrom-Kapazitäten liefert ein mobiler Notstromgenerator (Besitz der Energie Gossau AG), das BHKW auf der ARA und die Photovoltaikanlage (PV).

Die PV-Anlage soll aber nicht nur im Notstrombetrieb aushelfen können, sondern den Strombezug aus dem Netz reduzieren. Die PV-Elemente sind auf dem Betriebsgebäude (50 kWp) und auf der Lagerhalle (20 kWp) angebracht.

Technische Daten

Mechanische Reinigung
Regenbecken250 m3
Entlastungsbauwerkmit Siebrechen, 4 mm
RechenanlageFeinrechen, 6 mm
SandfangLängssandfang, zweistrassig
Vorklärung450 m3, Rundbecken
 
Biologische Reinigung
Biologische Stufe2 × 1135 m3 (2 Strassen mit je 3 Reaktoren)
Nachklärung2 × 630 m3
 
Filtration
Rohwasserbecken35 m3
Filterzellen4 Zellen mit je 45 m3 resp. 13 m3
Spülwasserbecken100 m3
Schlammwasserbecken80 m3
 
Anlage
Einzugsgebiet Gossau ZH und Grüningen
Einwohnerwerte Ausbauziel: 15 000 Einwohner
Abwassermenge pro Jahr 1.4 Mio. m3/Jahr
Trockenwetterzufluss 45 l/s oder ca. 155 m3/h
Regenwetterzufluss bis zu 180 l/s
Hydraulische Auslegung ARA 152 l/s
Schlammbehandlung
Frischschlammschacht 30 m3
Faulraum 600 m3
Stapelraum 600 m3
Schlammentwässerung Faulschlamm
Vorlagebehälter Entwässerung Faulschlamm 90 m3
Zentratwasserschacht
(Zentrat = Konzentrat aus Entwässerung)
265 m3
Gasspeicher ca. 275 m3
Gasmotor elektrisch: 49 kW, thermisch: 76 kW
 
Energie
Strombedarf (2024)ca. 580 000 kWh/Jahr
Stromeigenproduktion Gasmotor (2024)ca. 250 000 kWh/Jahr (rund 43 %)
Wärmebedarfca. 370 000 kWh/Jahr
Wärmeeigendeckung Gasmotorrund 99 % (im Sommer Überproduktion,
im Winter muss ev. mit Öl unterstützt werden)